Fragestellung: Müssen wir bei Menschen um Vergebung bitten, wenn wir uns versündigt haben? Oder reicht es aus, wenn wir bei Gott um Vergebung gebeten haben?
Die Antwort: Ja, wir müssen bei Menschen um Vergebung bitten und es reicht nicht aus allein bei Gott um Vergebung zu bitten.
In mehreren Texten wird deutlich ausgesagt, dass man zur betreffenden Person geht und die Sünde in Ordnung bringt.
Matthäus 5,23–24: „Wenn du also dabei bist, deine Gabe auf den Altar darzubringen und dich dort erinnerst, dass dein Bruder eine Sache gegen dich hat, 24 lass deine Gabe dort vor dem Altar und gehe hin; söhne dich zuerst aus mit deinem Bruder. Und dann komm und opfere deine Gabe.“
Jakobus 5,16: „Bekennt einander die Übertretungen und betet füreinander, damit ihr geheilt werdet! Das Gebet eines Gerechten vermag viel, wenn es ernstlich ist.“
Zwei Beispiel werden uns gegeben.
1.Mose 50,17–18: „So sollt ihr zu Joseph sagen: Bitte, vergib doch deinen Brüdern die Schuld und ihre Sünde, dass sie so Böses an dir getan haben! So vergib nun den Knechten des Gottes deines Vaters ihre Schuld! Da weinte Joseph, als sie ihm das sagen ließen. 18 Dann gingen seine Brüder selbst hin und fielen vor ihm nieder und sprachen: Siehe, wir sind deine Knechte!“
Lukas 17,3–4: „Habt acht auf euch selbst! Wenn aber dein Bruder gegen dich sündigt, so weise ihn zurecht; und wenn es ihn reut, so vergib ihm. 4 Und wenn er siebenmal am Tag gegen dich sündigte und siebenmal am Tag wieder zu dir käme und spräche: Es reut mich!, so sollst du ihm vergeben.“
In allen Texten wird die persönliche Seite betont. Man geht hin und spricht mit der betreffenden Person. Es geschieht Bekenntnis der Schuld (Jak. 5,16), Aussöhnung (Mt. 5,24), Bitte um Vergebung (1.Mo. 50,17) und Reue (Lk. 17,4).
Warum ist dieser Gang zum Nächsten notwendig?
Wenn man einen anderen Menschen bestiehlt ist es logisch, dass die Vergebung bei Gott allein nicht ausreicht, sondern der Schaden muss behoben bzw. ersetzt werden. Bei materiellem Schaden ist das klar, aber oft übersieht man den Schaden der in der zwischenmenschlichen Beziehung entsteht. Ein Streit in der Familie ist ebenfalls ein Schaden, eine Beschädigung der Familie. Dieser Schaden ist möglicherweise nicht direkt sichtbar, aber dennoch real. Auch dieser Schaden muss in Ordnung gebracht werden. Denkt man an die Beziehung zu Gott die man ja mit der Bitte um Vergebung in Ordnung gebracht hat, dann kann man nicht in einer gestörten Beziehung zur eigenen Familie leben.
Biblische Texte dazu formulieren es so:
Matthäus 3,8: „Bringt also Früchte, die der Buße würdig sind.“
Apostelgeschichte 26,20b: „… sie sollten Buße tun und umkehren zu Gott und Werke tun, die der Buße würdig seien.“
Ein Beispiel der Wiedergutmachung ist Zachäus:
Lukas 19,8: „Aber Zachäus stand und sagte, zum Herrn : „Siehe! Die Hälfte meiner Habe, Herr, gebe ich den Armen. Und wenn ich von jemandem etwas erpresste, gebe ich es vierfach wieder.“
Wer Vergebung bei Gott findet, kann nicht den von der Sünde angerichteten Schaden so belassen wie er ist, sondern ist bereit den angerichteten Schaden so gut es geht in Ordnung zu bringen.
In der Marienkirche in Lübeck steht ein Opferstock. Er stellt einen Knaben dar, der eine Schale mit Geldstücken in der Hand hält. Aus der wirft er mit der andern Hand haufenweise das Geld in den Kasten zu seinen Füßen. Dieses Standbild hat seine besondere Geschichte. Es erinnert an einen Jungen in Lübeck, der immer treu zur Kirche ging und darin ganz genau Bescheid wusste. Einmal, als er sah, wie viele Gaben in den Oberstock gelegt wurden, kam ihm plötzlich der Gedanke: Wie wäre es, wenn ich an einem Abend, wenn es niemand sieht, einen Griff in die Opferbüchse tun würde. Die Versuchung bekam solche Macht über ihn, dass er den Gedanken ausführte. Das heimliche Tun lag als Schuld auf seinem Gewissen. Freilich wusste keiner, was er getan hatte. Er wurde groß, verdiente gut und – konnte nicht ruhig schlafen, bis er eines Tages wusste: Was mich nicht zur Ruhe kommen lässt, das ist die heimliche Sünde aus meiner Jugendzeit. Da ging er in sich. Er bat nicht nur Gott um Vergebung, er bekam auch Mut, seine Tat vor Menschen zu bekennen. Der reiche Kaufmann brachte für den Gotteskasten der Marienkirche so viel Goldstücke, wie er damals Pfennige entwendet hatte. Als warnendes Beispiel ließ er das Standbild setzen.
Wahren Frieden und volle Vergebung liegt in der Wiedergutmachung der Schuld.
Hinterlasse einen Kommentar